Nie wieder ist jetzt

Die Enthüllungen des Recherche-Teams Correctiv über das Potsdamer Geheimtreffen von AfD-Mitgliedern, Geldgebern und Vertretern der rechtsextremen Szene, an dem sogar Mitglieder von CDU und Werteunion teilnahmen, haben große Empörung ausgelöst und treiben aktuell sehr viele Menschen auf die Straße.

Am kommenden Sonntag, 4. Februar, findet dazu um 19 Uhr eine besonders interessante Veranstaltung statt. Der Magistrat der Stadt Friedberg, die Ev. Kirchengemeinde und zahlreiche weitere Kooperationspartner veranstalten eine Szenische Lesung der Correctiv-Recherche in der Stadtkirche Friedberg.
Was auf den Geheimtreffen der rechten Szene verhandelt wurde, wird von Akteuren teilweise im Wortlaut vorgetragen. Lebendiger und eindringlicher kann man sich kaum über Ziele und Methoden der rechten Szene informieren.

Außerdem findet einen Tag zuvor, Samstag, 3. Februar, 13 Uhr, auf dem Aliceplatz in Bad Nauheim eine Demonstration unter dem Motto „Demokratie schützen“ statt.

Nach 13 Jahren schaltet Querstellen-Friedberg auf „Standby“

13 Jahre lang hat sich Querstellen-Friedberg gegen Atomkraft gestellt und mit zahlreichen Aktivitäten, z.B. Mahnwachen, Straßenaktionen, Demonstrationen, Diskussionsveranstaltungen etc. die Anti-Atom-Bewegung unterstützt. Auch wenn noch viel zu tun bleibt, ist das Kernziel, alle Atomkraftwerke in Deutschland abzuschalten, erreicht. Trotz vielfältiger Versuche von Atombefürwortern und rechten Parteien, eine Renaissance der Atomkraft herbeizureden, ist ein solches Szenario äußerst unwahrscheinlich. Zu groß sind die Kosten, die Risiken und das Problem der Endlagerung, die damit verbunden wären. Querstellen-Friedberg wird daher nach 13 Jahren auf „Standby“ schalten und keine regelmäßigen Aktionen mehr durchführen. Das allgemein zurückgehende Interesse angesichts der vielfältigen Krisen, das nachlassende Engagement der Mitwirkenden und auch ihr zunehmendes Alter legen diesen Schritt nahe. Wir danken allen, die unsere Aktivitäten die ganzen Jahre unterstützt haben.

„Standby“ heißt aber auch, dass wir bereit sind, bei Bedarf die Aktivitäten wieder „hochzufahren“. Denn selbstverständlich werden wir aufmerksam die kommende Entwicklung beobachten und uns vielleicht auch gelegentlich einmischen, um die notwendige Energ!erevolut!on sowie Natur- und Klimaschutz zu unterstützen.

Unsere Monatstreffen im Pastis bleiben auch ohne den Anspruch auf Planung von Aktionen bestehen (s. Termine).  Sie  bieten allen Interessierten die Möglichkeit zum zwanglosen Austausch über aktuelle Ereignisse. Auch diese Website bleibt als Archiv und für gelegentliche Beiträge erhalten. Sie wird in ausschließlicher Verantwortung des Autors weitergeführt, was allerdings nicht ausschließt, dass auch Gastbeiträge veröffentlicht werden können. Informationen des Windpark-Winterstein-Bündnisses oder Hinweise auf wichtige Veranstaltungen werden weiter eingestellt, weshalb ein gelegentlicher Besuch der Seite zu empfehlen ist. Rundmails werden jedoch sicherlich nur noch in seltenen Ausnahmefällen verschickt. Wer aufgrund dieser Veränderungen aus dem Verteiler gestrichen werden möchte, möge dies gegebenenfalls bitte kurz per Mail mitteilen. Anregungen und Vorschläge zu einer punktuellen Zusammenarbeit bei verschiedenen Themen werden natürlich auch weiterhin entgegengenommen. Bleiben Sie auch 2024 aktiv. Gerade in dieser „dunklen Zeit“ der vielen Krisen ist jede*r Einzelne gefordert.

Streik der Weihnachtsmänner und -frauen

Kaum auszudenken, wenn nicht nur die Lokführer, sondern auch die Weihnachtsmänner und -frauen in den Streik treten würden! Berechtigte Forderungen dafür gäbe es in diesen dunklen Zeiten wahrlich genug. Womöglich würden sie sich sogar auf die von SUVs verstopften Straßen kleben, die weihnachtlich dekorierten Schaufenster mit Farbe oder Kartoffelbrei beschmieren und evtl. mit ihren Schlitten sogar vor den Bundestag ziehen. Ob sie dafür auch zu hohen Haft- oder Geldstrafen verurteilt würden? Aber keine Angst, Weihnachtsmänner und -frauen sind viel zu klug. Schließlich wollen sie sich nicht mit Populisten und rechten Parteien verbünden, sie wollen nicht die „Ampel abschalten“ und Deutschland in den Untergang treiben. Deshalb kommen sie natürlich auch diese Weihnachten wieder mit gut gefüllten Säcken und schwer beladenen Schlitten zu uns, dem reichen Teil dieser Welt.

Kultur und Klimaproteste

Klimakrise und Klimaproteste haben längst Eingang in die Kulturszene gefunden. Drei aktuelle Veranstaltungsbeispiele seien hier erwähnt und ihr Besuch wird empfohlen.

VERGISS MEYN NICHT:

In den Kinos ist aktuell der Film „Vergiss Meyn nicht“ angelaufen. Ein Dokumentarfilm über die Baumhaussiedlungen im Hambacher Forst und ihre illegale Räumung 2018. Der Filmstudent Steffen Meyn dokumentierte mit einer 360°-Helmkamera die Proteste im „Hambi“. Steffen Meyn stürzte während der Räumung der Baumhaussiedlung „Beechtown“ von einer Hängebrücke in den Tod. Der Freund*innen und Mitstudent*innen von Steffen Meyn stellten diesen Film als Steffens Vermächtnis zusammen. Der Film wird ab dem 21. September nur für wenige Tage in den Kinos zu sehen sein. Z.B. in Frankfurt: Mal Seh’n Kino,  Marburg: Capitol, Darmstadt: Programmkino Rex. https://www.wfilm.de/vergiss-meyn-nicht/

PROTEST/ARCHITEKTUR: Das Deutsche Architekturmuseum (DAM) zeigt bis zum Januar 2024 in seinem Ausweichquartier am Frankfurter Ostend (in unmittelbarer Nähe zum Ostbahnhof) die Ausstellung „Protest/Architektur“. Gemeinsam mit dem Museum für angewandte Kunst (MAK) in Wien werden raumbesetzende Protestformen untersucht, deren Anfang im Barrikadenbau der Französischen Revolution gesehen werden. 13 Proteste in der Welt sind mit detailreichen Modellen, Fotos, Filmen und erläuternden Texten dargestellt. Ein lexikonartiger Katalog dient als erstes Nachschlagwerk dieser architektonischen Protestformen. Führungen finden samstags und sonntags um 15 Uhr statt. Aus Deutschland werden vorgestellt: Das Hüttendorf in Gorleben, Proteste um die Startbahn West, die Baumhaussiedlungen im Hambacher Forst, Lützerath, der Danneröder und Fechenheimer Wald. https://dam-online.de/veranstaltung/protest-architektur/

FOTOAUSSTELLUNG-KLIMABEWEGUNGEN: In der Foto-Wanderausstellung „Klimabewegungen“ von Tim Wagner werden auf großformatigen Fotoleinwänden Fotos von Lützerath, Dannenröder Wald, Hambacher Forst und Ende Gelände präsentiert. Wer die Ausstellung auf der Weseler Werft in Frankfurt verpasst hat, kann sie jetzt noch bis Anfang Oktober an der Waggonhalle in Marburg sehen. Am 28. September findet um 18.30 Uhr eine Einführung zur Ausstellung im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Semana Latina – Wald Welt Weit“ statt. Der Eintritt ist frei, ein Fotokatalog über die Ausstellung ist auf Wunsch zu erhalten. Die Waggonhalle Marburg liegt unmittelbar am Hbf-Marburg und ist ebenso wie das DAM Ostende perfekt mit dem (noch) 49 €-Ticket der Bahn zu erreichen.

Zeitenwende – Ein Rückblick auf das Jahr 2022

Querstellen bedankt sich für diesen Gastbeitrag von Kornelia Zapf (Butzbach), der am 19. Januar 2023 im Meinungstreff der Wetterauer Zeitung veröffentlicht wurde:

Erschreckend: Es gibt wieder Krieg in Europa. Und Pazifisten sind – zu Recht – gezwungen Waffen in Kriegsgebiete zu liefern.

Absurd: Die Reichsbürger wollen die Demokratie, in der sie leben und die ihnen die Freiheit gibt ihre irrsinnigen Gedanken auszuleben, stürzen. So planen diese einen Putsch, um ein neues Kaiserreich zu errichten.

Traurig: Deutschland wird immer wärmer und trockener. Aber den Politikern, besonders denen der FDP, ist das nicht so wichtig – Hauptsache freie Bürger dürfen sich auf den Autobahnen zu Tode rasen. Was soll diese Blockadehaltung gegen das Tempolimit? Und auch der öffentliche Nahverkehr wird nur schleppend wieder aufgebaut – eine große Aufgabe, da der letzten Regierung Autobahnen wichtiger waren als Bahn und Bus. Schienen wurden abgebaut, die jetzt fehlen.

Drei Atomreaktoren verbleiben am Netz und werden noch bis Ende April laufen: Und schon hört man wieder Stimmen, die sagen, man könnte die Atomkraftwerke doch noch länger laufen lassen – sogar weitere hinzunehmen. Aber die Kraftwerke sind alt, und sollte man neue Brennstäbe kaufen, fängt die ganze Sache mit dem Atomstrom von vorne an. Wo soll der ganze Atommüll hin? Es gibt immer noch kein Endlager, denn kein Bundesland will diesen bei sich selber. Bayern kann ihn doch übernehmen. Die haben sich den erneuerbaren Energien stets verweigert, wollen aber nicht mit den Konsequenzen der Atomenergie leben.

Kohle ist wieder der Renner: Dörfer werden vernichtet nur um die Braunkohle abzubauen, und das obwohl wir – aus Klimatechnischen Gründen – schon längst aus der Verstromung mit Kohle hätten aussteigen müssen. Bei all dem verwundert es mich nicht, dass junge Menschen dabei nicht mehr tatenlos zusehen können und sich sogar an Straßen festkleben, um auf die vorhandenen Gefahren des Klimawandels hinzuweisen.

Die „Fridays for Future“-Bewegung wurde belächelt und schlecht gemacht. Den Klimaschützern und Wissenschaftlern wurde nicht zugehört: Also wird eine gewaltlose Form des Protests gewählt, welche vermeindlich mehr Aufmerksamkeit bringt. Und obwohl diese Aktivisten, die sich ankleben, keinem etwas tun, werden diese auf das Härteste strafrechtlich verfolgt. In Bayern kommen die Klimaaktivisten sogar schon mal vorbeugend in Gewahrsam. Das ist absurd. 

Ausklang: Ende des Jahres 2022 und es wurden Böller und Geschosse auf Rettungskräfte gefeuert. Das ist furchtbar und so was sollte auf das Härteste strafrechtlich verfolgt werden. Aber anstatt die Ereignisse vernünftig aufzuarbeiten, wurden sofort wieder rassistische Ressentiments bedient und auf Menschen mit Migrationshintergrund gezeigt. Und zu guter Letzt postet unsere Verteidigungsministerin Lambrecht ein Neujahrsvideo vor einer Feuerwerks-Kulisse, welche an Krieg erinnert. Das kann 2023 eigentlich nur besser werden.

Habeck erklärt die Welt

Unsere illustrierte Satirebeilage zur Aufmunterung in düsteren Zeiten:

„Ich bin nicht unzufrieden, wie das mit dem Ausbau der Erneuerbaren gerade läuft. Noch nicht zufrieden, das ist alles noch ein zartes Pflänzchen, und wir kommen hier wirklich aus dem Tal der Tränen. Aber die sind getrocknet, und ein erstes zartes Lächeln kann man sich schon zutrauen.“ (Wirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck)

Fortsetzung Robert Habeck: „Wir sind noch lange nicht durch. Aber wir haben große Gesetze gemacht, etliche große und kleine Stellschrauben gedreht, … überall haben wir Bremsen gelöst.“

Edle Tropfen vom Energiepark Mainz

Die rheinlandpfälzische Landeshauptstadt Mainz ist weithin für ihre Wein- und Sektkeltereien bekannt. Da ist es nur naheliegend, dass dort auch Wasserstoff, der „Champagner unter den Energieträgern“ (Claudia Kemfert),  hergestellt wird. Querstellen-Friedberg besuchte Anfang Oktober 2022 die Produktionsanlage im Energiepark Mainz,  um sich über die Herstellung von Wasserstoff zu informieren.

Besichtigung des Energieparks Mainz, links ein Wasserstofftank
Während der Besichtigung des Energieparks Mainz. Links einer der Wasserstofftanks.

Seit 2015 betreiben die Mainzer Stadtwerke in Kooperation mit der Linde Group in Mainz-Hechtsheim eine Anlage zur Produktion von Wasserstoff. Drei Elektrolyseure der Firma Siemens mit einer Spitzenleistung von je 2 MW, sind dort installiert, die im Dauerbetrieb zusammen 4 MW Strom aufnehmen und damit Wasserstoff produzieren können. Es handelt sich um eine der ersten Anlagen dieser Art in Deutschland, die zeigt, dass die Wasserstoffherstellung auch in größerem Umfang funktioniert und flexibel eingesetzt werden kann. Rund 17 Mio. € wurden dafür in den Energiepark investiert.

Elektrolyseur und Wasserstofftankstelle im Energiepark Mainz
Links einer der drei Elektrolyseure, rechts die vollautomatische Wasserstofftankstelle

Der Strom für die Elektrolyse kommt aus dem Mittelspannungsnetz der Mainzer Stadtwerke und auch von Windrädern aus dem angeschlossenen Windpark. Strom wird angekauft, wenn er an der Börse günstig ist, d.h. wenn ein Überschuss an Energie vorhanden ist. Als wir zu Gast waren, lief die Produktion leider nicht, denn aktuell ist die Anlage noch nicht ausgelastet.

Im Mainzer Energiepark wurden erstmals viele innovative Techniken bei der Elektrolyse, der Verdichtung des Wasserstoffs, der Speicherung in den Tanks, der Einspeisung ins Erdgasnetz, bei Betankung und Transport eingesetzt und für die vielfältigen Verwendungsmöglichkeiten von Wasserstoff optimiert. Die Anlage bietet die Möglichkeit, überschüssigen Windstrom in Wasserstoff umzuwandeln und zu speichern. Bis zu 10 % Wasserstoff können auch ins Erdgasnetz eingespeist werden und so den Anteil von fossilem Erdgas etwas verringern. Diese geschieht bereits beim Erdgasnetz des Mainzer Stadtteils Ebersheim.

In einer nachträglichen, internen Diskussion unter den Teilnehmer:innen, bei der es leider keinen Champagner, sondern lediglich Kaffee gab, wurde weiter über den Nutzen von Wasserstoff diskutiert. Ob Wasserstoff klimaneutral ist, hängt von seiner Herstellung ab. Bei der Herstellung von grauem Wasserstoff aus Erdgas, Schweröl oder Kohle wird noch mehr CO2 freigesetzt als bei direkter Verbrennung. Die Teilnehmenden waren sich deshalb darin einig, dass lediglich grüner Wasserstoff aus erneuerbarer Energie klimaneutral und damit akzeptabel ist. Dafür müssen jedoch große Mengen überschüssiger Strom aus erneuerbarer Energie zur Verfügung stehen, die zurzeit noch fehlt. Wird – wie wohl auch häufig in Mainz – der normale Strommix aus dem Stromnetz bei der Elektrolyse eingesetzt, ist die Wasserstoffproduktion allerdings noch klimaschädlich. Wasserstoff ist keinesfalls der alleinige Retter aus der Energienot. Denn auch das „Effizienzproblem“ von Wasserstoff bei der gesamten Umwandlungskette muss im Auge behalten werden: Bei der Umwandlung von Strom in Wasserstoff, bei Speicherung und Transport und einer späteren Rückumwandlung in einer Brennstoffzelle zu Strom gehen insgesamt rund 2/3 der eingesetzten Primärenergie „verloren“. Die direkte Nutzung von Strom oder seine Speicherung in Batterien ist daher in vielen Fällen sinnvoller. Dies gilt auf jeden Fall beim Individualverkehr. Beim Energiemix der Zukunft wird Wasserstoff aber sicher eine gewisse Rolle spielen. Er wird z.B. als Brennstoff für den Schwerlastverkehr, für Schiffe oder Flugzeuge dienen, er wird bei energieintensiven Industriezweigen (z.B. Stahlproduktion oder chemische Industrie) die fossilen Brennstoffe ersetzen und auch als zukünftiger Langzeitspeicher für die erneuerbaren Energien dienen. Um die Energierevolution jedoch voranzutreiben und Klimaneutralität zu erreichen, ist der beschleunigte Ausbau der Erneuerbaren sicher vorrangig.

11 Jahre Querstellen-Friedberg

Gerne hätten wir uns anlässlich unseres Gründungstages vor elf Jahren mit Glühwein auf der „Kleinen Freiheit“ getroffen, um über Atom-, Kohleausstieg, Energiewende, Windpark Winterstein und die Rettung der Welt zu reden. Gerne hätten wir uns auch bei allen bedankt, die schon seit vielen Jahren gemeinsam mit uns für diese Ziele eintreten. Aufgrund der anhaltenden Corona-Pandemie müssen wir allerdings auf eine Zusammenkunft und einen Infostand verzichten. Ersatzweise hier einige Anmerkungen zum 11. Jahrestag:

Die Empörung über die Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke, die im Herbst 2010 von der damaligen schwarz-gelben Bundesregierung beschlossen worden war, trieb einige von uns im Dezember 2010 ins Schneegestöber auf die Friedberger „Kleine Freiheit“, um gegen diese Rolle rückwärts zu protestieren (vgl. Archiv Dez 2010). Die Anti-Atom-Bewegung formierte sich neu und trug nach der Fukushima-Katastrophe 2011 erheblich zum Ausstiegsbeschluss aus der Atomkraft bei. Nach dem Fukushima-Jahr 2011 wurden allerdings erst drei Atomkraftwerke  vom Netz genommen und drei weitere folgen Ende dieses Jahres. Das endgültige Aus für die Atomkraft in Deutschland kommt mit dem Abschalten der letzten drei Kraftwerke Ende 2022 (vgl. unser Info Atomkraftwerke in Deutschland).

Das ist ein Teilerfolg, aber der Ausstieg aus der Atomkraft muss weltweit erfolgen und die zivile und militärische Nutzung umfassen. Frankreich setzt im Gegensatz zu Deutschland verstärkt auf Atomenergie. Lobbyisten und durchaus renommierte Medien arbeiten daran, das schöne Märchen vom smarten, ungefährlichen Mini-Atomkraftwerk – geeignet quasi für den Vorgarten – zu verbreiten, um erneut den gesellschaftlichen Konsens für den Atomausstieg zu durchlöchern. Bei dem nur langsam voranschreitenden Ausbau der Erneuerbaren und einem wachsenden Strombedarf könnte der Druck von dieser Seite wachsen. Aufklärungsarbeit bleibt also weiterhin nötig.

Die Problematik der Klimaerhitzung ist inzwischen in den Köpfen der Menschen angekommen und es wird oft in Politik, Talkshows und an Stammtischen darüber geredet. Aber es wird nur wenig und halbherzig gehandelt, was Fridays for Future zu Recht anprangert. Auch von der 26. Weltklimakonferenz hatten sich besonders die Länder des globalen Südens mehr erhofft. Unsere neue Bundesregierung, die bei der Vorstellung des Koalitionsvertrages von der FDP eine „Regierung der Mitte“ genannt wurde, wird vermutlich nur in eingeschränkter Weise den „Fortschritt wagen“. Jedoch sind in einige wichtige Schlüsselstellungen Personen gerückt, die glaubwürdig für Veränderungen stehen. Das lässt verhaltene Hoffnung aufkommen. Im Koalitionsvertrag ist vereinbart, die erneuerbaren Energien bis 2030 auf 80% zu steigern und  „idealerweise“ bis dahin auch den Kohleausstieg zu erreichen. Diese Vorsätze sind sehr zu begrüßen und durchaus ambitioniert, wenn man bedenkt, dass der Strombedarf noch stark wachsen wird. Diese Festlegung ist auch ein Erfolg für alle, die sich in den letzten Jahren auf vielen Demonstrationen und mit fantasievollen Aktionen für Klimarettung und Kohleausstieg engagiert haben.  Unterstützen wir die Regierung bei diesen Zielen. Die Transformation im Verkehrssektor wurde dagegen vernachlässigt. Bei einem FDP-Minister sind kaum fortschrittlichere Maßnahmen zu erwarten. Der Kampf für das  Klima wird sich daher in Zukunft stärker auf den Verkehrssektor verlagern müssen.

Die Mehrheit der Menschen in Deutschland befürwortet deutlich mehr Engagement beim Natur- und Klimaschutz. Sollen Windenergieanlagen jedoch vor ihrer Haustür gebaut werden, verringert sich leider häufig die Zustimmung und der Klimaschutz scheint nicht mehr ganz so wichtig zu sein. Vor über zehn Jahren sprachen sich auf einer Podiumsdiskussion von Querstellen-Friedberg führende Politiker der Region für einen Windpark auf dem Winterstein aus (vgl. Archiv Nov 2011), um ihn anschließend zehn Jahre lang trickreich mit Veränderungssperren und unzulässigen Bebauungsplänen zu verhindern. Dieser Stillstand wird hoffentlich bald beendet, denn Dürresommer, Feuersbrünste und Überschwemmungen führen auch bei einigen Lokalpolitiker:innen zu einem langsamen Umdenken. Der Bebauungsplan zum Winterstein wird still und leise beerdigt und eine Absichtserklärung zur Errichtung eines Windparks wird in den politischen Gremien der Anrainerkommunen diskutiert (vgl. Absichtserklärung Stadt Rosbach).

11 Jahre Querstellen-Friedberg

Wir werden sehen, ob die Einsicht in die Dringlichkeit der Energiewende und in die eigene Verantwortung für das Klima inzwischen herangereift ist, um endlich den Windpark in unserer Region – zum Nutzen des Klimas und der kommunalen Finanzen – auf den Weg zu bringen. Zehn Jahre wurden schon verschenkt, weitere zehn Jahre bleiben uns nicht. Die Natur kümmert es nicht, wie lange wir Menschen brauchen, um zur Einsicht zu kommen. Die Erde erhitzt sich weiter und der Wald auf dem Winterstein stirbt, während einige noch immer glauben, sie würden ihm durch das Verhindern von Windrädern helfen. Die Bundesregierung kann zwar Rahmenbedingungen für die Energiewende schaffen, umgesetzt werden muss sie jedoch in den Kommunen vor Ort.

Das Gelbe X von Querstellen wird also weiterhin gebraucht, auch und gerade weil aus den gelben Brettern des Widerstandes inzwischen erste Blätter der Hoffnung sprießen.

Mahnwache für Klima und Natur, Samstag, 4. Sept., 10-13 Uhr, Elvis-Presley-Platz Friedberg

Die Klimakatastrophe ist ohne Zweifel das größte Problem unserer Zeit und die größte Herausforderung für die kommende Bundesregierung. Der Weltklimarat (IPCC) hat die Dramatik der Lage unmissverständlich klargemacht. Es wurde in den letzten Jahrzehnten viel zu wenig unternommen, um den Klimaveränderungen zu begegnen. Die weltweite Durchschnittstemperatur steigt noch schneller als vorhergesehen. Trockenheit, Feuersbrünste, Starkregen und Überschwemmungen mit vielen Toten und großen Verwüstungen nehmen zu und bedrohen sogar uns in Deutschland immer stärker. In der nächsten Wahlperiode müssen die Weichen für die Einhaltung des 1,5°-Ziels gestellt werden, sonst wird es zu spät sein, denn sich gegenseitig verstärkende Faktoren drohen zu einer nicht mehr zu stoppenden Kettenreaktion zu führen. Nur bei sehr entschlossenem und konsequentem Handeln besteht noch die Chance, die Klimakatastrophe wenigstens einzudämmen. Querstellen will am kommenden Samstag, dem 4. September, zwischen 10 und 13 Uhr am südlichen Ende des Elvis-Presley-Platzes mit einer Mahnwache an diese Aufgabe erinnern.

QUERSTELLEN und das GELBE X – Zum zehnjährigen Bestehen von Querstellen-Friedberg

10 Jahre QuerstellenDie Zeit vergeht schnell und 10 Jahre erscheinen manchmal schon als lange Zeit, in der viel vergessen wird. In diesem Beitrag wollen wir deshalb erklären, woher unser Namen QUERSTELLEN und unser Logo, das GELBE X, kommen. Der Name „Querstellen“ irritiert heute gelegentlich Menschen, da er so ähnlich klingt wie die seit kurzem aufgetauchten „Querdenker“, mit denen wir absolut nichts gemein haben. Es gab sogar schon den wohlmeinenden Rat, wir sollten uns doch umbenennen, um Missverständnissen vorzubeugen. Querstellen klänge ja auch so negativ, wir sollten uns doch einen positiver klingenden Namen geben.

Querstellen-Friedberg entstand Ende 2010 als Reaktion auf den Beschluss zur Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke durch die damals Schwarz-Gelbe-Bundesregierung. Querstellen gegen die Castortransporte nach Gorleben und gegen den Ausstieg aus dem Atomausstieg war zu dieser Zeit das Motto bundesweiter Kampagnen. Das GELBE X ist das Symbol des Widerstands im Wendland, wo es in vielen Vorgärten steht, um weithin sichtbar die Ablehnung des Atommüll-Lagers in Gorleben und den Widerstand gegen die Atompolitik zu bekunden. QUERSTELLEN und das GELBE X ergaben sich folgerichtig als Ausdruck unserer Solidarität mit dem Kampf im Wendland und der Ablehnung der Atomkraft, deren Ausstieg ja bereits einmal – wenn auch halbherzig – beschlossen war.

Aus naheliegenden Gründen haben sich die Aktivitäten von Querstellen inzwischen natürlich erweitert und unter „Querstellen“ steht jetzt der Zusatz „gegen Atom- und Kohlekraft“, denn auch der Ausstieg aus der Kohleverstromung ist aufgrund der Klimakrise zwingend erforderlich. Das GELBE X ist längst auch in vielen Dörfern der Lausitz oder im Rheinland zum Symbol des Widerstands gegen den Braunkohleabbau und – unter dem Motto „Alle Dörfer bleiben“ – gegen das weitere Abbaggern der Dörfer geworden.

Unsere Kritik an der Atom- und Kohlekraft mündete folgerichtig in die Forderung nach der Energiewende und dem schnellstmöglichen Wechsel zu 100 % erneuerbare Energien. Daraus ergibt sich auch unser Engagement für eine dezentrale Windenergiegewinnung hier vor Ort. Der sich dramatisch beschleunigende Klimawandel führt uns inzwischen deutlich vor Augen wie existenzbedrohend der starke Ausstoß von Klimagasen durch den Menschen ist. In allen Sektoren, nicht nur bei der Energiegewinnung, sondern auch in Industrie und Handel, beim Verkehr, in der Landwirtschaft und beim Wohnen muss die Dekarbonisierung massiv vorangetrieben werden.

Positive gesellschaftliche Veränderungen können nur aus der Kritik an den unzulänglichen Verhältnissen und dem Widerstand gegen sie erwachsen. QUERSTELLEN und das GELBE X werden also weiterhin gebraucht, um der unverantwortlichen Ausplünderung und Zerstörung unseres Planeten entgegenzutreten. Mit großer Überzeugung und erhobenen Hauptes tragen wir den Namen QUERSTELLEN und unser Logo daher auch weiterhin und versuchen diejenigen zu unterstützen, die für die Rettung des Klimas, den Schutz der Natur und für eine ökologische, soziale und demokratische Welt eintreten. Wir sind parteipolitisch ungebunden, was aber keineswegs bedeutet, dass es aufgrund unserer Grundüberzeugungen nicht unterschiedliche Schnittmengen mit etablierten Parteien und politischen Gruppierungen gibt.

Sicher ist zunächst auch nichts gegen „kritisches Querdenken“ einzuwenden, wer jedoch kritische Begriffe pervertiert, zukunftsorientierte soziale Bewegungen und ihre Ausdrucksformen zu kapern versucht, um seine reaktionäre, geschichtsverfälschende und faschistische Gesinnung zu verbreiten, stößt auf unsere tiefe Verachtung. Mit Querdenkern, Reichsbürgern, Identitären, QAnon-Anhängern, Verschwörungsideologen, Geschichtsrevisionisten, Rechtsextremisten, Faschisten, NPD, AfD oder wer immer zu den neuen Rechten zu zählen ist, hat QUERSTELLEN sicher rein gar nichts zu tun.

Auf ein aktives 11. Jahr!