Die im Titel der vom Aktionsbündnis veranstalteten Podiumsdiskussion gestellte Frage beschäftigt offensichtlich viele Bürger: Der Saal im Albert-Stohr-Haus erwies sich als fast zu klein, um die Menge der Interessierten aufzunehmen. Unter der souveränen Leitung von hr2-Redakteur Florian Schwinn entwickelte sich schnell eine engagierte Diskussion.
Rolf Gnadl, Vorstandsvorsitzender der OVAG, führte aus, dass sein Versorgungsunternehmen stolz darauf sei, 19% seiner Leistung aus regenerativen Energiequellen zu beziehen. Die OVAG besitze 99 Windenergieanlagen (vornehmlich im Vogelsberg) und investiere derzeit massiv in diese Technologie. Er sprach sich – wie alle Teilnehmer der Diskussion – klar für eine dezentrale Energieversorgung aus, dämpfte aber Hoffnungen auf eine vollständige Loslösung von dem nationalen Energiemix. Er selbst, so gestand er, sei schon zufrieden, wenn mittelfristig der Anteil der regenerativen Energie in der Wetterau auf 30% gesteigert werden könnte.
Dem widersprach Sebastian Sladek von den Elektizitätswerken Schönau, die ihren Kunden zu 100% Strom aus regenerativen Quellen anbieten. Er sieht den Schlüssel zur Abkopplung vom nationalen Energiemix, der nach wie vor ca. 15% Atomstrom enthält, in einer konsequenten und weitreichenden Bürgerbeteiligung. Die dazu geeignete Gesellschaftsform sei die Genossenschaft.
Damit war er sich einig mit Diethardt Stamm, dem Vertreter der Mittelhessischen Energiegenossenschaft (MiEG). Dieser wies darauf hin, dass auch nach dem geplanten Laufzeitende der deutschen Reaktoren 2022 weiterhin Atomstrom im Verbundnetz verbreitet werden würde – vermutlich sogar in noch größerem Umfang als bisher, da Unternehmen in Nachbarländern derzeit massiv in diese Technologie investieren. Stamm warnte vor den Lockungen großer Firmen: Die Renditen würden von deren Investoren abgeschöpft; vor Ort bleibe dann kaum etwas übrig. Regionale Wertschöpfung sei daher gefordert. Überspitzt formuliert: „Was spricht dagegen, dass die Bürger irgendwann mal die OVAG übernehmen?!“
Der Friedberger Bürgermeister Michael Keller wies auf die politische Dimension der Frage hin: „Energiepolitik ist Machtpolitik!“ Es gebe derzeit ein zeitlich begrenztes Fenster, innerhalb dessen man Vorsorge für regionale Lösungen der Energiefrage treffen müsse. Er sei daher sehr froh, dass es am Tag zuvor zu einer Einigung unter den Bürgermeistern der Anrainergemeinden zum Winterstein gekommen sei, dieses Gelände zum Vorranggebiet für Windenergieanlagen auszuweisen. Diese Möglichkeit könne genutzt werden, da sowohl das Planungs- wie auch das Eigentümerrecht hier an einem Strang zögen. Auch Keller sprach sich für eine weitgehende Bürgerbeteiligung bei dem bevorstehenden Planungsverfahren aus, konnte aber auf Einzelheiten noch nicht eingehen.
Keller schloss sich der Kritik an der Investitionspolitik der großen Banken und Hedgefonds an, betonte aber, dass das Volumen der ins Auge gefassten Windanlagen auf dem Winterstein für diese Global Players zu klein sei. Die lokalen Geldinstitute – Volksbanken, Sparkassen – seien aber „mit im Boot“.
In der abschließenden Fragerunde gingen die Teilnehmer auch auf die Bedenken bezüglich Landschafts- und Naturschutz ein. Selbstverständlich müssten die Naturschutzverbände und die Forstverwaltung einbezogen werden. Auch ästhetische Gesichtspunkte bei der Landschaftsveränderung sind zu berücksichtigen. Sebastian Sladek wies in diesem Zusammenhang wieder auf die Bedeutung von Bürgerbeteiligung und Genossenschaften hin, um möglichst viele Bürger für die Energiewende zu gewinnen. Er hat die Erfahrung gemacht, dass die Akzeptanz deutlich steigt, „wenn die Anteilhaber erkennen, dass sie mit jeder Drehung des Rotors Geld verdienen.“