Windparkbegehung in Grävenwiesbach

Am Sonntag, dem 7. November 2021 führte das Bündnis Windpark Winterstein eine zweite Windpark-Exkursion, diesmal zum Windpark Siegfriedeiche in Grävenwiesbach durch. Der Spaziergang bot den 85 Teilnehmenden die Möglichkeit, einen Windpark im Wald  möglichst hautnah zu erleben und fachkundige Informationen zu erhalten. „Damit wollen wir zu einer Versachlichung der Diskussion um die Windkraft beitragen“, sagte Hans-Dieter Wagner bei der Begrüßung im Name der 29 Partnerorganisationen. Am Fuß der Windräder gab es entsprechend reichliche Informationen zu Technik, Flächenbedarf, Vogelschutz etc. Auch Fragen der 85 Teilnehmenden wurden beantwortet.

Diethardt Stamm vom Energiebildungsverein stellte einige der nächsten Schritte des Bündnisses Windkraft Winterstein vor, mit denen man einer Bebauungsplanung näher kommen möchte. So sollen die bisher intern ermittelten 22 Windkraftanlagenstandorte noch in diesem Jahr mit Experten des potenziellen Investors ABO Wind besprochen werden. Ähnliches wird dann im Januar für eine weitere Meinungsbildung mit den Fachleuten von EnBW als weiterem möglichem Investor abgeklärt. Stamm verwies auch auf eine neue Umfragestudie zur Akzeptanz der Windenergie an Land. Nach dieser erklären 80 % der Bevölkerung Windkraft als wichtig und 91 % möchten „frühzeitig und angemessen“ über die Planungen informiert werden. 79 % wollen eine Beteiligung der Kommunen und mindestens teilweise eine Umsetzung als Bürgerenergieprojekt. „Wir betrachten diese Studie für unser Bündnis genauso wie für die beteiligten Kommunen als Aufgabe für die nächsten Realisierungsphasen auf dem Winterstein“ sagte Stamm.

Hans-Dieter Wagner von Querstellen-Friedberg erläuterte den Flächenbedarf von Windrädern im Wald. Er beträgt dauerhaft etwa 0,5 ha (5000 m²), der Betonsockel umfasst ca. 300 m², Kranstellfläche und Wege werden lediglich geschottert und nicht versiegelt. Veränderungen des Wasserhaushaltes im Wald treten hierdurch nicht ein. Windkraft beansprucht im Verhältnis zu anderen Formen der Energiegewinnung, z.B. im Vergleich zur Braunkohle, sehr viel weniger Fläche. Für die genutzten Waldflächen, auch wenn es Windwurfflächen sind, werden Aufforstungen oder andere Ausgleichsmaßnahmen durchgeführt.

Dr. Werner Neumann vom BUND betonte, dass für den Ausbau der Windenergie im Wald in Hessen maximal 0,1 % der Waldfläche benötigt würde. Alle vorhandenen Waldwege würden hingegen 5-10 % des Waldes einnehmen. Zum Schutz von Vögeln und Fledermäusen sei ein mehrstufiges Verfahren erfolgt. Zunächst werden Vorranggebiete von 2 % der Landesfläche, wie am Winterstein, festgelegt, wo viel Wind weht und Schwerpunkträume geschützter Arten ausgenommen worden seien. Dann erfolgt die Genehmigungsplanung, bei der im Gebiet alle relevanten Arten genau untersucht werden. Falls erhebliche Beeinträchtigungen zu erwarten seien, würden – wie in Grävenwiesbach – zeitlich begrenzte Abschaltungen erfolgen. Da dies meist im Sommer erfolge, wäre der Verlust von Energie gering. Schließlich würden die Betreiber Maßnahmen zur Förderung gefährdeter Arten durchführen, die auch unter vielen anderen Einwirkungen leiden würden. So profitiere auch der Naturschutz in der Region von der Windenergie. Durch den Ersatz von Kohlestrom würde ein zentraler Beitrag zum Klimaschutz geleistet. Dies diene auch dem globalen Naturschutz, da sich Pflanzen und Tiere nicht an den rasanten Klimawandel anpassen könnten.

Bürgermeister Roland Seel (CDU) von Grävenwiesbach
Bürgermeister Roland Seel

Besonders begrüßt wurde Bürgermeister Roland Seel (CDU) aus Grävenwiesbach, der erläuterte, wie die Entscheidungen zugunsten des im Mai 2020 eingeweihten Windparks gefallen sind. Der finanzielle Nutzen für die Gemeinde sei entscheidend gewesen. Die Gemeinde profitiere durch Pachteinnahmen und Gewerbesteuer. Die Bevölkerung war von Beginn an eingebunden und konnte sich über einen „Windsparbrief“ finanziell beteiligen. Die Sparbriefe in Höhe von insgesamt 500.000 € waren innerhalb eines Tages vergriffen. Künftig sei denkbar, dass die Bürger:innen auch Strom von den Anlagen günstiger beziehen könnten. Man werde die Welt zwar allein durch diesen Windpark nicht retten, leiste aber verantwortungsvoll einen eigenen Beitrag zur Bekämpfung der Klimaerhitzung. Alle 6 Windräder stehen auf dem Gebiet der Gemeinde Grävenwiesbach, drei auf Gemeindegebiet, drei auf Gebiet von HessenForst. Aktuell wird der Bau von zwei weiteren höhere und damit leistungsstärkeren Windenergieanlagen überlegt, die neben der CO2-Einsparung auch deutlich höhere Einnahmen erbringen würden. Herr Seel ist recht zuversichtlich, dass es zu einer Realisierung kommen wird. Bei seinem Vortrag betonte er mehrfach, dass er selbst sich bei der Entstehung des Windparks stets als Moderator sah, der lediglich begründete Vorschläge unterbreitete, über die aber das Gemeindeparlament entscheiden musste. Dank seines Engagements und der offenbar gelungenen Kommunikation mit Befürwortern und auch Gegnern der Windkraft hat Grävenwiesbach heute einen deutlichen Vorsprung gegenüber anderen Kommunen.

Teilnehmende bei der Begehung des Windparks in Grävenwiesbach. Fotos: Tim Wagner

Eine so pragmatische und zupackende Haltung wünschten sich viele der Teilnehmenden auch von der Politik in den Anrainerkommunen um den Winterstein. Durch die bisherige Windenergie-Verhinderungspolitik wurde in den letzten 10 Jahren nicht nur die Klimaerhitzung weiter vorangetrieben, sondern den Bürger:innen wurden auch Einnahmen vorenthalten, mit denen die Kommunen ihre Finanzsituation hätten verbessern können. Da auch Politiker verschiedener Parteien anwesend waren, hofft das Windpark-Bündnis, dass das Umdenken für die Windenergie am Winterstein durch die positiven Erfahrungen, wie sie z.B. in der Gemeinde Grävenwiesbach gemacht wurden, beschleunigt wird.