1 Jahr ohne Atomkraft

Deutschland ist jetzt 1 Jahr frei von Atomstrom. Am 15. April 2023 wurden die letzten drei Atomkraftwerke abgeschaltet und der gefährliche Irrweg Atomenergie verlassen (s. Beitrag von 2023: Atomkraftwerke endlich abgeschaltet). Die Stromversorgung ist – allen Unkenrufen zum Trotz – weiterhin sicher. Der vollständige Wechsel zu erneuerbaren Energien ist eingeleitet und ihr Anteil an der Stromproduktion steigt kontinuierlich. Im ersten Halbjahr 2023 wurden bereits ca. 52 % des Stromverbrauchs aus erneuerbaren Energien gedeckt und insgesamt wurden 2023 ca. 56 % des Stroms aus erneuerbaren Quellen gewonnen. Das ist mehr als je zuvor und zeigt die positive Entwicklung, auch wenn es gerne noch schneller gehen dürfte.

In Europa und weltweit gibt es jedoch keinen Konsens beim Ausstieg aus der Atomkraft und die Atomlobby kämpft verbissen darum, nicht noch weiter an Boden zu verlieren. Besonders für die Atommacht Frankreich sind Atomenergie und die damit verbundene Industrie unverzichtbar. Für die „Grand Nation“ ist die Atomkraft inzwischen Teil nationaler Souveränität und Identität geworden. 56 Atomkraftwerke erzeugen – wenn sie denn laufen – 2/3 des Stroms. Trotz der unkalkulierbaren Risiken, der ungelösten Endlagerfrage und der hohen Kosten hält die französische Regierung ungebrochen an der Atomkraft fest.  Mit immensen Steuersummen wird der Staatskonzern EDF (Électricité de France) massiv gestützt, da er sonst längst insolvent wäre. Mit ehrgeizigen Ausbauvisionen wird versucht, die finanzielle Misere des Konzerns und das andauernde Fiasko beim Bau des einzigen neuen Atomkraftwerkes Flammanville 3 zu überspielen.
Bereits vor 20 Jahren wurde der Bau des neuen EPR-Reaktors angekündigt, seit 2007 befindet er sich im Bau und schon vor 12 Jahren hätte er in Betrieb gehen sollen. Doch er läuft bis heute nicht. Angesichts der vielen Pannen, der Verzögerungen und der exorbitanten Preissteigerungen erscheinen die Atompläne Frankreichs völlig realitätsfremd.
Auch wenn es Frankreich und anderen Atombefürwortern gelungen ist, Investitionen in Atomkraft im Rahmen der EU-Taxonomie als „nachhaltig“ einzustufen, ziehen sich Investoren immer häufiger bei Finanzierungen zurück. Gerade hat China weitere Investitionen in das zweite EPR-Kraftwerk Hinkley Point C in Großbritannien beendet, was von EDF bzw. Frankreich durch hohe staatliche Subventionen aufgefangen werden muss. Der als Exportschlager geplante EPR-Reaktor entpuppt sich immer deutlicher als Flop.

Atomfans werden nicht müde für eine Renaissance der Atomkraft zu kämpfen. Jüngstes Beispiel ist der großangelegte Atomgipfel, zu dem Belgien und die Organisation der Atomindustrie IAEA (Internationale Atomenergie-Agentur) im Mai nach Brüssel eingeladen hatten, um eine Allianz der Atomkraftbefürworter zu schmieden. Etwa die Hälfte der EU-Mitgliedsstaaten setzt weiter auf Atomkraft. Neben Frankreich gehören u.a. Belgien, die Niederlande und Schweden dazu, aber auch Polen und Italien wollen neu in die Atomkraft einsteigen. Ziele des Atomgipfels sind, „das Potenzial der Nuklearenergie voll auszuschöpfen“ und die Atomkraft innerhalb der EU als Teil des Energiemixes abzusichern. Atomenergie soll als geeignete Option zur Bekämpfung der Klimakrise etabliert und bis 2050 verdreifacht werden. Geflissentlich ignoriert man die große Zahl dafür benötigter Atomkraftwerke, die viel zu langen Realisierungszeiten, die hohen Risiken und die gigantischen Kosten.

Da konventionelle Atomkraftwerke nicht mehr mit den erneuerbaren Energien konkurrieren können, hoffen die Atomkraftbefürworter schon lange auf sog. SMR-Kraftwerke (small modular reactors) oder ähnliche Projektideen. Gerade ist allerdings wieder einer dieser Träume geplatzt, denn der Entwickler „NuScale“ hat die Entwicklung seiner SMR-Meiler eingestellt, da sie trotz intensiver Forschung und finanzieller Förderung nicht ausgereift sind und die Stromerzeugung um ein Vielfaches teurer würde als z.B. durch Windstrom. Um dennoch Forschungsgelder aus EU-Subventionen zu generieren, schwärmt die Atomlobby weiter von den kleinen, modularen Atomkraftwerken.
Weil Geld aber nur einmal ausgegeben werden kann, bremsen Investitionen in Atomkraft die Umstellung auf erneuerbare Energien und unterlaufen damit die effektivste Art des Klimaschutzes. Jeder Euro für die Atomindustrie ist einer zu viel. Aufgrund des stetig wachsenden Anteils an erneuerbarer Energie (s. Grafik oben) werden außerdem Grundlastkraftwerke – zu denen  Atomkraftwerke gehören – zunehmend überflüssig und behindern die Transformation zu den Erneuerbaren. Benötigt werden flexible Kraftwerke zum Ausgleich der Schwankungen bzw. der sog. Residuallast. Atomkraftwerke sind dafür gänzlich ungeeignet.

Wir sollten auch nicht vergessen, dass der Atomausstieg in Deutschland noch unvollständig ist. Die Brennelemente-Fabrik im emsländischen Lingen versorgt weiterhin mit ihren Brennstäben viele Atomkraftwerke in Europa. Frankreich (Framatome) und der russische Atomkonzern (Rosatom) sind ein Joint Venture eingegangen und planen gemeinsam die Ausweitung der Produktion in Lingen, um zukünftig auch osteuropäische Atomkraftwerke russischer Bauart mit Brennstäben zu versorgen. Es ist völlig inakzeptabel, Russland – das gleichzeitig Krieg gegen Europa führt – in seinen Expansionsbestrebungen bei der Atomkraft zu unterstützen und Zugang zur Brennelemente-Fabrik in Lingen zu verschaffen. Russland den direkten Einblick in sensible Bereiche europäischer Atomkraftwerke zu ermöglichen, verstößt eklatant gegen deutsche und europäische Sicherheitsinteressen. Nicht einmal eine militärische Nutzung des atomaren Materials lässt sich bei einer so engen Kooperation ausschließen. Die Zusammenarbeit mit Rosatom darf daher nicht genehmigt werden. Um den Atomausstieg in Deutschland zu vollenden, muss letztlich auch die Brennelementefabrik in Lingen geschlossen werden, selbst wenn dies nicht leicht durchzusetzen ist.

Am 1. Jahrestag der Abschaltung der letzten drei Atomkraftwerke Deutschlands dürfen wir uns über das Erreichen dieses Etappenziels freuen. Es gilt die vollständige Umstellung auf erneuerbare Energien weiter voranzutreiben und rechten und konservativen Kräften deutlich zu machen, dass es in Deutschland für eine Renaissance der Atomkraft keine Basis mehr gibt.

Besuch des ENERGIEPARK MAINZ geplant

Für Dienstag, den 4. Oktober 2022, 13 Uhr, hat Querstellen eine Führung im Energiepark Mainz gebucht. Interessierte sind herzlich eingeladen, sich anzuschließen.

Bei der vollständigen Energiewende, die wir schnellstmöglich erreichen müssen, wird sicher auch Wasserstoff benötigt, z.B. für den Flug- und Schiffsverkehr, für die Stahl- oder Zementindustrie und für die Langzeitspeicherung von Energie. Im Energiepark Mainz wird seit 2015 die Gewinnung und Speicherung von Wasserstoff aus Windenergie erprobt. Betreiber sind die Stadtwerke Mainz, in Kooperation mit der Linde AG und der Siemens AG. Weiter Infos gibt es unter www.energiepark-mainz.de .

Die 1,5-stdg. Führung besteht aus einer erläuternden Präsentation und einem Rundgang durch die Anlagen. Vielleicht lässt sich danach noch ein Café-Besuch am Rheinufer mit Diskussion der Eindrücke anschließen?

Da der außerhalb von Mainz gelegene Energiepark mit dem ÖPNV nur schwer erreichbar ist, erfolgt die Anreise mit privatem PKW. Es können aber Fahrgemeinschaften gebildet werden. Die Zahl der Teilnehmenden ist auf 15 Personen begrenzt. Die Zusage erfolgt in Reihenfolge der Anmeldung, d.h. wer zuerst mailt, fährt zuerst! Bitte – möglichst unter Angabe einer Telefonnummer – anmelden bei petra.zeichner@t-online.de .

Bündnis Windpark Winterstein

Plakat Windpark Winterstein

Am 25. September meldete sich FRIDAYS FOR FUTURE mit einem Globalen Klimastreik aus dem Corona-Lockdown zurück. Auch in Friedberg ging ein langer Demonstrationszug – unter Einhaltung von Corona-Auflagen – vom Bahnhof, durch die gesamte Innenstadt, bis zur Seewiese, wo die Abschlusskundgebung stattfand. Die Redebeiträge, z.B. von Eva Parbel und Camilla Czempin von den FFF-Gruppen Friedberg/Bad Nauheim, zeigten einerseits die Enttäuschung der Aktiven über die bisher getroffenen Klimamaßnahmen der Bundesregierung, aber auch den ungebrochenen Willen, weiter für die Zukunft der jungen Generation und mehr Klimagerechtigkeit zu kämpfen.

Aber nicht nur von der Bundesregierung wurde mehr Klimaschutz verlangt, sondern auch die Politiker*innen vor Ort wurden aufgefordert, sich intensiver für Klimaneutralität und den Umstieg auf erneuerbare Energien einzusetzen.

Aus Protest gegen den Entwurf des Bebauungsplans Winterstein, den die Kommunen Friedberg, Rosbach, Wehrheim und Ober-Mörlen unlängst offengelegt hatten (vgl. unseren Beitrag „Wieder Windkraft-Blockade am Winterstein!“), trafen sich Anfang September zahlreiche Gruppen aus der Region und vereinbarten, sich in Zukunft gemeinsam für einen effizienten  Windpark auf dem Wintersteinkamm einzusetzen. Nach bisherigem Stand unterstützen das Bündnis Windpark Winterstein: Die BUND Kreisverbände Wetterau und Hochtaunus, einschließlich mehrerer Ortsgruppen, Fridays For Future Friedberg/Bad Nauheim, Energiebildungsverein e.V.,  Mittelhessische Energiegenossenschaft, So’ne Kraft Hochtaunus e.V., Bürger*innen-Bündnis WIR, Wetterau im Wandel und natürlich Querstellen-Friedberg. Auch die politischen Parteien DIE GRÜNEN und DIE LINKE teilen die Ziele des Bündnisses.

Stellvertretend für das Bündnis begründete Diethardt Stamm vom Energiebildungsverein e.V. die Ablehnung des Bebauungsplans hinsichtlich seiner Festlegungen zur Windkraft und erläuterte die Dringlichkeit eines Windparks auf dem Winterstein, der auch das Thema auf zahlreichen Plakaten der Demonstrationsteilnehmer*innen war (s. Abbildung). Aufgrund der Größe des Windvorranggebietes auf dem Winterstein – es ist mit 414 ha das größte in ganz Südhessen – könnten nach konservativer Berechnung immerhin um die 23  Windenergieanlagen errichtet werden. Die im Bebauungsplan vorgesehenen 3 Anlagen wirkten auf Stamm zunächst wie ein „Tippfehler, bei dem die 2 vor der 3 vergessen wurde“. Bei der weiteren Lektüre des B-Plans wurde Stamm jedoch schnell klar, dass es darin nicht um die Förderung der Windkraft geht, sondern um deren Verhinderung. Zahlreiche, willkürliche Einschränkungen behindern die Errichtung eines Windparks: Das Vorschreiben getriebeloser Windräder verstößt z.B. gegen das Wettbewerbsrecht, da nur ein einziger Hersteller in Deutschland solche Windräder baut, andere Wettbewerbe würden so ausgeschlossen. Die Festlegung auf eine Nabenhöhe von 145 m ist ebenfalls  zurückzuweisen, weil dadurch ohne Not der Energieertrag und auch der Vogelschutz verringert werden. Dazu kommen auch noch zahlreiche Rechenfehler bei der Erstellung des B-Plans, weshalb Stamm den Entwurf insgesamt als „eine Katastrophe hoch fünf“ bezeichnete.

Angesichts der dramatischen Klimakrise – die inzwischen auch leicht am Waldsterben auf dem Winterstein sichtbar wird – muss die Windenergie massiv ausgebaut werden, um durch konsequenten Umstieg auf erneuerbare Energie einen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten. Auch BUND-Sprecher Werner Neumann betonte in seiner Rede die Notwendigkeit, in der Wetterau und hessenweit die Windenergie auszubauen. Das Bündnis Windpark Winterstein wird sich weiterhin für das Klima und CO2-neutrale Energiegewinnung und den WINDPARK WINTERSTEIN einsetzen.